Freitag, 1. Juni 2007

schaufenster: bauchladen geöffnet!

Wenn Bauchläden Schaufenster hätten, wären wir die Ware.
Dann würden Leute kommen und beim an uns Vorbeiflanieren Sachen sagen wie: „Hui, das ist aber schön!“ Oder aber auch: „Pfui, nee das muss nicht sein!“
Wir spielen dann den unbeeindruckten Verkäufer und fragen Sachen wie:
„Guten Tag!“ Oder aber auch: „Kann ich Ihnen bei meiner Identitätssuche behilflich sein?“

großstadt: "geh' heim Agent!"

„Geh’ heim Agent!“
Riefen die Kollegen.
„Kommst uns Ungelegen,
da dich jeder kennt.“

„Kannst nach hause gehen!
Die kennen dich zu gut,
kleiner Zwerg mit Hut
- Kaum zu übersehen.“

„Da lässt sich nichts kaschieren,
Du bist uns zu klein
Nebenbei, Du ganz allein,
Könnt’ ja was passieren!“

Ohne jede Pietät,
drohen mit dem Messer.
Dann doch besser:
groß statt Identität!

Donnerstag, 31. Mai 2007

schaufenster: unangenehm

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Immer schön Liebe zurückbringen in die verlorenen oder besiegten Lande.

Lass uns unangenehm sein den Herren im Fleisch.

Und dann schreien die Leute, die gebildeten und gelangweilten am lautesten, schreien nach Geschichten aus der deutschen Bronx, schreien nach allem was Unrecht ist, schreien nach ethischer Unterhaltung via Konfrontation mit dem Geringen.

Welche der vielen Geschichten wollen wir ihnen erzählen? Geschichtenerzähler für die wirklich Armen, die ohne Erfahrung.

winterpelz: Ein altes Thema

"Besser kann ich mir nicht vorstellen."
Deshalb leidest du auch so viel.

"Eigentlich musst du immer schwarze Haare haben. Wenn du auf dem Foto und dann in Wirklichkeit blond.."
-"Ich muss gar nichts."
"Ach so."

Niemand und nichts von alldem. Ein altes Thema. Hier ist kalt. Du musst bestehen. Du musst alles überwinden.
Hör auf, es zu ertragen.

Dienstag, 29. Mai 2007

großstadt: stay rude

Es vibriert unterm Fuß:
Achtfach achtfach achtfach ach
Satzgrün melancholische Harpien
Harpien der Bronx: Fertige Gestalten, auf der anderen Seite wankend, mein Freund du sammelst die Pfandflaschen von der Straße, ich staune über dich, dass du das machst, dann staune ich über mein Staunen und muss sogleich mich selber anstaunen; ich habe seit Jahren nichts mehr aufgesammelt, mein Freund, du aber hey wir sind nicht arm, das war bloß unsere Kultur, unser Lifestyle.

Orte, die besungen werden wollen.
Empfindliches Leben in jeder Sekunde.
Jeder einzelne der Kämpfe. Kampftier mit Balsam.
Kaputte Tastaturen, kaputte Elternteile auf dem Balkon.

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Wilde Orte, fremde Orte, Kesselorte, Zeltplatzhort,
Normalität wie sie in den Wolken hängt,
beständige Wolken,
ich wohne jetzt wo anders.

Sonntag, 27. Mai 2007

großstadt: observation

Er lehnt sich zurück, zündet sich eine Zigarette an und nimmt einen Schluck Kaffee. Was wenn er James Bond wäre? Ein Agent im Auftrag der Königin. Mit Stil und Klasse. Und einem Händchen für die Frauenwelt. Er sieht sich um. Wer könnte auffällig sein?
Intellektuelle und Künstler in schwarzen Rollkragenpullovern mit Gauloises im Mundwinkel. Rotnasige Herren mit Baguette unterm Arm. Mannequins in Stöckelschuhen beim Schaulaufen. Baskenmützen wohin man sieht. Er muss lächeln, ob der vielen sich erfüllenden Klischees.
Er springt auf, der zu Beobachtende hat das gegenüberliegende Gebäude verlassen.

großstadt: suchend.

In Großstädten kann man wunderbar spazieren gehen.
Die Seele baumeln lassen und die Gedanken einfach mal zur Seite schieben.
Den Gedanken-Sucher auf offline schalten und so der Assoziation und Direktaufnahme
freien Lauf lassen.

Geheimagent auf Pause stellen.
Pause für Gedankenfluten.

„Großstadt ist ein Ballungsraum, dessen Verhältnis Population Fläche es von dem einer Kleinstadt zu unterscheiden gilt.
Während man in Großstädten von einer hohen Bevölkerungsdichte ausgeht, nimmt diese mit abnehmender Fläche (Kleinstadt) ab.“

Lange Rede, kurzer Sinn:
Auch Großstädter können einsam sein.

schaufenster: püppchen

Starrer Blick. Er sieht ihr direkt in die Augen. Wer war er? Wer ist er? Wer wird er sein? Sie erwiedert den Blick immer noch. Ob sie merkt, dass er nicht weiß, wer er ist? Dass er auf der Suche nach seiner Identität ist. Seit er gekündigt hat, steht er im Nichts. Aber es musste sein, er konnte nicht so weiterleben. Er lächelt ihr zu. Sie blickt stumm, mit unverändertem Gesichtsausdruck zurück. Es wird sich etwas Neues finden. Er vertraut auf sein Glück, dem Zufall und seiner Intuition. "Auf Wiedersehen", flüstert er. Er dreht dem Schafenster den Rücken zu und winkt sich ein Taxi heran.

Freitag, 25. Mai 2007

großstadt: ameisenkönigin

Alles ist in ständiger Bewegung. Es wimmelt und wuselt, es raschelt und rauscht. Die Menschen sind immer auf dem Sprung. Bewegung, Bewegung, Bewegung - so lautet ihr Credo bis eines Tages die rigor mortis einsetzt. Mit ihren Einheitsanzügen und Koffern gleichen sie Geheimagenten. Nur nicht erkannt werden. Nummern statt Namen. Wie emsige Ameisen im Ameisenstaat - immer beschäftigt: jagen, sammeln, arbeiten, bekriegen, versklaven, fressen. Nur keine Müdigkeit vorschützen! Straßen bauen und unterirdische Gänge. Dabei laufen sie oft zu schnell, laufen ineinander. In der U-Bahn läuft ein Mädchen in mich und lässt ihre Tasche fallen. "Entschuldigung." Engelsstimme. Ich hebe sie auf. "Danke." Kastanienbraunes, lockiges Haar, funkelnde grüne Augen. Sie lächelt. Hübsches Gesicht. "Ich muss mich beeilen. Die 3." Sie verschwindet. Ich bleibe zurück mit einer Nummer. "Für mich bist du mehr als nur die 3. Du bist die Ameisenkönigin."

schaufenster: new look

Auf meinem langen Nachhauseweg komme ich abends an einem kleinen Modegeschäft in der Innenstadt vorbei. The New Look. Tizianroter Schriftzug auf weißem Hintergrund. Eine Weile bleibe ich vor dem Schaufenster stehen. Sportlich elegante Kleidung an makellosen, glatten Körpern. So schön, so elegant, so... bessere Menschen? Einer von ihnen trägt ein seidenes marineblaues Hemd mit selbstbewusstem Blick. Ich gehe hinein. Drinnen erwarten mich die besseren Menschen und präsentieren ihre zweite Haut: The New Look. Mein Blick fliegt durch den Raum, der größer ist als man es von draußen hätte erahnen können . "Kann ich ihnen helfen?”, fragt plötzlich eine männliche Stimme neben mir. Ich weiß nicht. Kann er? „Suchen Sie etwas bestimmtes?” Der Verkäufer bleibt hartnäckig. Er sieht aus wie einer von ihnen. „Nein, ich will mich nur umschauen.“ Langsam gehe ich durch den großen Raum und suche das seidene marineblaue Hemd. Ich bin der einzige Kunde und die Verkäufer verfolgen jeden meiner Schritte. Sie alle sind elitär. Sie alle haben den New Look. Vielleicht wollen die ja jetzt schließen. Vielleicht wollen sie unter sich sein. Das Hemd steht mir sowieso nicht. Beim Gehen wünscht mir die hübsche junge Frau am Ausgang einen schönen Abend. "Vielleicht finden Sie ja beim nächsten Mal etwas." Als ich aus dem Geschäft trete bläst mir ein eisiger Wind entgegen. Es wird bald Regen geben und ich bin noch lange nicht zu Hause.

Dienstag, 22. Mai 2007

großstadt: verdachtsmoment

unter 3einhalb millionen berliner menschen erkenne ich meinen eigenen blick kaum wieder. geheimagentisch genau kann hier doch – unter uns gesagt – niemand mehr hinschauen.
statt dessen baut sich vor meinem auge großes auf, flächiges. muß wohl das geliebtzitierte „erlebnis masse“ sein. und da hinten an der ecke: ist das dann schon blasiertheit?

Montag, 21. Mai 2007

großstadt - eiskalt erwischt

Heimlich durch die Nacht geschlichen auf der Suchen nach der Blutspur der vergangenen Nacht die wir hinterlassen haben müssen auf unserem Streifzug um die Häuserblocks wie Agenten einer ersten Liebe folgend, wir nahmen Witterung auf, schlürften Nachtluft am Tage, waren damit dem Untergang geweiht

Bedächtig und sicher schmiedeten wir unsere Pläne gegen die Großstadt, warfen unsere Namen in überhellen Linien und Farben an die Wände der U-Bahn um nicht vergessen zu werden vom übergroßen Moloch, dem Allesfresser Berlin, der nährenden Mutter und Heroinhure -

Stein und Benzin wie es heißt

- und immer ist da dieser Geruch, dieser Duft nach Freiheit, nach Weite, nach Welt und Vergessen, Einsamkeit und Frösteln

an der dunklen Endstation,

allein,

ganz allein in einer Millionenstadt,

Wie ist das möglich

schaufenster - splitter aufkehren

Perfekte Puppenkörper hinter perfekten Fensterscheiben perfekte Kleidungsstücke Blusen und Hosen im perfekten Fall

Zwischen den Rockfalten sucht Sie, sucht zu kaschieren was Sie zuviel ist oder zuwenig

Sucht nach dem, was Ihr am Besten steht, sieht sich im Schaufensterspiegelbild

und

dahinter die Geliebte Pygmalions, die Perfekte, die Elfenbeingemeiselte (nur heute braun, nicht mehr milchweiß, Ideale ändern sich, jedenfalls augenscheinlich).

Soll sie das Rote nehmen oder das Blaue, wie soll sie den Gürtel tragen, einen Absatz oder lieber doch nicht

Sie ist was man an ihr sieht

weiß Sie

Und durchsucht weiter die Schaufensterspiegelbilder nach sich selbst.